Google Fonts: Durchsuchungen nach Abmahnwelle
Meldung von doelf, Donnerstag der 22.12.2022, 15:31:59 UhrDie Generalstaatsanwaltschaft Berlin ist gestern gegen die mutmaßlichen Urheber einer Abmahnwelle um die Verwendung von Google Fonts auf Webseiten vorgegangen. Hierbei wurden von der Polizei Durchsuchungen in Berlin, Hannover, Ratzeburg und Baden-Baden durchgeführt sowie zwei Arrestbeschlüsse vollstreckt. Den beiden Beschuldigten wird Abmahnbetrug und Erpressung in mindestens 2.418 Fällen vorgeworfen.
Die Abmahnung
Bei den Beschuldigten handelt es sich um einen 53-jährigen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin und dessen 41-jährigen Mandanten, dem angeblichen Repräsentanten einer IG Datenschutz
. Ihnen wird vorgeworfen, bundesweit Privatpersonen und Kleingewerbetreibende per Anwaltsschreiben abgemahnt zu haben. Bei den Abgemahnten handelt es sich um die Betreiber von Webseiten, auf denen von Google lizenzfrei bereitgestellte Schriftarten, die Google Fonts
, verwendet werden. Sofern diese Schriftarten direkt von Google geladen werden, machten die Beschuldigten einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung geltend und drohten mit Schmerzensgeldforderungen auf Basis einer Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Um ein Zivilverfahren abzuwenden, konnten die Angeschriebenen eine Vergleichssumme in Höhe von jeweils 170 Euro zahlen.
Die Grundlage der Abmahnung
Wird keine lokale Kopie der Google Fonts
auf dem eigenen Webserver hinterlegt, müssen die Schriftarten von Googles Servern, welche größtenteils in den USA und somit außerhalb der Europäischen Union stehen, nachgeladen werden. Hierbei übermittelt der Webbrowser die IP-Adresse des Besuchers an Google, was das Landgericht München in einem Urteil vom 20. Januar 2022 (Az. 3 O 17493/20) als datenschutzrechtlichen Eingriff wertete. Sofern die Besucher dieser Datenübermittlung nicht schon im Vorfeld zugestimmt hatten, liegt ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung vor, aufgrund dessen unbedarfte Besucher tatsächlich einen Unterlassungsanspruch erwirken können. Und so wurde das Urteil des Landgerichts München in den Abmahnungen der Beschuldigten als Grundlage angeführt.
Und dennoch ist sie unbegründet
Bei dem Berliner Rechtsanwalt und seinem Mandanten ist die Sachlage allerdings eine andere, denn es handelt sich bei ihnen laut Generalstaatsanwaltschaft keinesfalls um unbedarfte Besucher, die zufällig auf einer Webseite gelandet sind. Vielmehr soll der 41-jährige eine eigens dafür programmierten Software verwendet haben, um abmahnbare Webseiten zu identifizieren und im Anschluss reguläre Webseitenaufrufe vorzutäuschen. Die Webseiten wurden somit nicht unbedarft, sondern vielmehr ganz bewusst geladen, und das auch nur automatisiert von einer Software und nicht von einer Person. Da eine Software keine Persönlichkeit hat, kann die Weitergabe der IP-Adresse auch kein Persönlichkeitsrecht verletzen. Und ohne Verletzung des Persönlichkeitsrechts gibt auch auch keine Möglichkeit, Schmerzensgeldansprüche im Rahmen eines Zivilverfahrens einzuklagen.
Es geht um 346.000 Euro
Alleine bei der Staatsanwaltschaft Berlin sind 420 Anzeigen von Abgemahnten eingegangen, die sich auf das Vergleichsangebot nicht einlassen wollten. Wie die Auswertung der Kontounterlagen der Beschuldigten ergab, hatten rund 2.000 Personen die 170 Euro bezahlt, wodurch ein Gesamtschaden von immerhin 346.000 Euro entstanden ist. Es sei allerdings nochmals angemerkt, dass das Nachladen von Google Fonts
tatsächlich einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung darstellt. Dass der Vorwurf in diesem Fall nicht greift, liegt einzig und alleine an der betrügerischen Absicht der Abmahnenden. Wer sich zukünftigen Ärger ersparen möchte, sollte Google Fonts
grundsätzlich lokal hosten.