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Digitalisierung in Deutschland - Dilettantismus bei der Grundsteuererklärung ‐ Seite 1/3

veröffentlicht von doelf am 12.07.2022

Nach der Zeitverschwendung im Online-Formular der AOK wirft unsere Serie Digitalisierung in Deutschland heute einen Blick auf die Grundsteuererklärung. Jahrzehntelang hatten sich die Regierungen in Deutschland vor einer Grundsteuerreform gedrückt und selbst als das Bundesverfassungsgericht die bisherigen gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuer vor vier Jahren gekippt hatte, kam keinerlei Hektik auf. Es gab somit reichlich Zeit für eine gründliche Vorbereitung, die anscheinend gründlich verschlafen wurde.

Digitalisierung in Deutschland - Zeitverschwendung im Online-Formular der AOK

Es fängt damit an, dass Millionen Grundstückseigentümer nur vier Monate Zeit bekommen, um die notwendigen Daten zu beschaffen. Während sich bei einem Neubau vermutlich noch alle Angaben in einem griffbereiten Ordner befinden, sieht das bei Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte alten Gebäuden ganz anders aus. Und selbst wenn 1853 eine Wohnraumfläche vermerkt wurde, ist diese Zahl für die heutigen Berechnungen irrelevant. Im Ernstfall muss neu vermessen werden und wer das nicht selber kann, muss jemanden beauftragen, dessen Termine schon Monate im Voraus ausgebucht sind. Erbgemeinschaften müssen sich absprechen, ob sie von der Möglichkeit einer gemeinsamen Grundsteuererklärung Gebrauch machen wollen. Übernimmt die Grundsteuererklärung ein Steuerberater, liegen die üblichen Sätze bei 200 Euro pro Stunde oder 600 Euro je Grundbuchblatt bzw. Wirtschaftseinheit. Doch auch ein Steuerberater, der noch Kapazitäten frei hat, will zunächst gefunden werden. Insbesondere ältere Mitbürger haben häufig keinen Steuerberater und zeigen beim Hinweis auf Elster auf den schwarz-weißen Vogel im Baum vor dem Küchenfenster. Aber fangen wir doch einmal ganz vorne an:

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Vor mehr als vier Jahren, genauer gesagt am 10. April 2018, hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherigen gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuer gekippt. Nach Ansicht der Richter führt die Verwendung völlig veralteter Besteuerungsgrundlagen zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung von Grundvermögen, was mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes unvereinbar ist. Und die genutzten Daten sind tatsächlich mehr als angestaubt! So wird die Einwohnerzahl der Gemeinden der allgemeinen Volkszählung vom 16. Juni 1933 entnommen. Als Altbauten gelten alle Gebäude, die vor dem 31. März 1924 bezugsfertig geworden sind. Alle danach erstandenen Gebäude, also auch jene, die bald 100 Jahre alt werden, sind somit Neubauten. Das klingt nicht nur absurd, es ist völlig absurd. Und so beschloss die Politik eine Neuregelung ab dem Jahr 2025. Die dafür notwendige Datenbasis wird allerdings schon im laufenden Jahr zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober 2022 gesammelt und zwar über die Grundsteuererklärung.

Wer muss die Grundsteuererklärung abgeben?

Die Grundsteuererklärung müssen in Deutschland ausnahmslos alle Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohngrundstücken und Betrieben der Land- und Forstwirtschaft bis zum 31. Oktober 2022 abgeben. Wird diese Frist versäumt, droht ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 Euro. Zudem wird das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen, was in der Regel nicht im Sinne des Steuerpflichtigen ist. Maßgeblich als Stichtag für die Eigentumsverhältnisse ist der 1. Januar 2022.

Wie kann man die Grundsteuererklärung abgeben?

Ein grundsätzliches Problem Deutschlands trifft auch auf die Grundsteuererklärung zu: Obwohl diese bundesweit eingefordert wird, ist die Umsetzung Ländersache. Somit unterscheiden sich die zur Verfügung gestellten Informationen, aber auch die anzugebenden Daten, von Bundesland zu Bundesland. In allen Bundesländern ist die Abgabe der Grundsteuererklärung über das Online-Finanzamt ELSTER möglich und auch gewollt. Elf Bundesländer folgen zudem dem Bundesmodell und ermöglichen eine vereinfachte Abgabe für Privateigentum. Das dazugehörige Portal ist jedoch noch nicht ganz fertig, wir werden es im nächsten Kapitel detailliert betrachten. Für Härtefälle gibt es die Unterlagen auch in Papierform, wobei nicht alle Länder darauf hinweisen. Einige Bundesländer wie Bayern und Rheinland-Pfalz bieten sogar PDF-Versionen der Grundsteuererklärung zum Download an. Im Falle von Bayern ist das ein wenig kurios, denn der Verantwortliche Herausgeber für die favorisierte ELSTER-Methode ist die Dienststelle München des Bayerischen Landesamtes für Steuern.

ELSTER wird gewünscht

Die Finanzverwaltung NRW erklärt hingegen, dass die Feststellungserklärung grundsätzlich digital bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht werden muss - also über ELSTER. Die Papierform oder eine PDF-Variante wird mit keiner Silbe erwähnt. Als ich Mitte Juni beim Finanzamt Aachen Kreis nach diesem Formular fragte, wurde mir mitgeteilt, dass es noch nicht fertig sei. Einen Monat später geben einige Finanzämter diese Formulare ohne Zögern heraus, während andere auf einer ausführlichen Beschreibung des Härtefalls bestehen und wieder andere auf ELSTER beharren. Es kommt anscheinend auf das Finanzamt bzw. den jeweiligen Mitarbeiter an, ob es Alternativen zu ELSTER gibt. Beim ersten Lasttest hat ELSTER übrigens schon gepatzt: Zu den Grundsteuererklärungswilligen gesellten sich in den vergangenen Tagen all jene, die ihre Umsatzsteuervoranmeldung für Juni über das Portal erbringen mussten. Und das war dann wohl zu viel Last.

Zur ELSTER-Anmeldung benötigt man seine steuerliche Identifikationsnummer, eine E-Mail-Adresse, muss mindestens einen Benutzernamen festlegen und die Antwort auf eine Sicherheitsabfrage wie Was ist Ihr Lieblingstier? hinterlegen. Per E-Mail bekommt man dann eine Aktivierungs-ID, nach deren Eingabe ein postalischer Brief mit einem Aktivierungs-Code verschickt wird. Mit diesem Aktivierungs-Code generiert man wiederum eine Zertifikatsdatei. Zur Anmeldung wird dann immer diese Zertifikatsdatei zusammen mit einem Passwort abgefragt. Für die meisten von uns ist das machbar, doch viele Grundeigentümer sind weit über 70 Jahre alt und haben weder Computer noch Internetanschluss. Diese Menschen sind gezwungen, ihren ach so sehr geschützten ELSTER-Zugang in die Hände Dritter zu legen. Eine gute Idee? Ich habe da so meine Zweifel. Bleibt nur der Ausweg, einen Steuerberater zu beauftragen und mehrere Hundert Euro zu entrichten.

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