Alte Soft- und Hardware im Post-XP-Zeitalter weiterverwenden
Autor: doelf - veröffentlicht am 08.04.2014 - Letztes Update: 24.04.2014Linux auf Antiquitäten - die PAE-Hürde
Ein weit verbreitetes Problem beim Versuch, moderne Linux-Distributionen auf sehr alter Hardware zu installieren, sind Prozessoren ohne PAE-Unterstützung. Die "Physical Address Extension" (PAE) ermöglicht es 32-Bit-Prozessoren, mehr als 4 GByte physikalischen Arbeitsspeicher zu adressieren. Dass die 32-Bit-Varianten von Windows XP auf 4 GByte beschränkt sind, ist somit keine technische Notwendigkeit, sondern war eine Entscheidung seitens Microsoft. Dies zeigt sich auch daran, dass bereits Windows 2000 eine Bootoption für PAE bietet. Intel hatte PAE im Jahr 1995 mit dem Pentium Pro eingeführt und AMD im Jahr 1999 mit dem ersten Athlon der K7-Generation. Dummerweise sind viele Chipsätze aus dieser Zeit auf 4 GByte oder weniger limitiert, so dass die CPUs keinen Vorteil aus PAE ziehen konnten. Da PAE auch für das NX-Bit benötigt wird, setzten viele Linux-Distributionen einen kompatiblen Prozessor voraus.
"Okay", werden jetzt viele Leser denken, "Mein Prozessor stammt nicht aus dem letzten Jahrtausend und daher habe ich auch kein Problem". Während dies in den meisten Fällen zutrifft, gibt es eine populäre Ausnahme: Intels Pentium M und Celeron M aus der Banias-Generation. Die Banias wurden im März 2003 vorgestellt und beherrschen PAE, teilen dies dem Betriebssystem aber nicht per CPUID mit. Somit funktionieren nur die Prozessoren der seit Mai 2004 verfügbaren Dothan-Generation ohne Probleme. Aufgrund ihres geringen Energieverbrauchs und der alltagstauglichen Rechenleistung finden sich viele Business-Notebooks auf Banias-Basis bis heute im Einsatz. Und auch auf diesen alten Notebooks bekommt man Linux noch zum Laufen - mit dem kommenden Lubuntu 14.04 LTS ("Trusty Tahr") sogar ohne tief in die Trickkiste zu greifen. Man muss lediglich die Boot-Option "forcepae" verwenden.
Für sehr alte bzw. sehr langsame Computer empfehlen wir ausdrücklich
Lubuntu, da es sich hierbei um eine besonders schlanke und ressourcenschonende Linux-Distribution handelt. Folgende Liste gibt Aufschluss darüber, welche Prozessoren sich mit welcher Generation dieses Betriebssystems nutzen lassen:
- Lubuntu 10.04 ("Maverick Meerkat "): Letzte Version mit Unterstützung für Intels Pentium (1. Generation)), AMDs K5 und K6.
- Lubuntu 12.04 ("Precise Pangolin"): Letzte Version mit Unterstützung für CPUs ohne PAE, funktioniert mit Intels Banias.
- Lubuntu 12.10 ("Quantal Quetzal"): PAE ist Plficht, Intels Banias sind nur mit fake-PAE lauffähig.
- Lubuntu 13.04 ("Raring Ringtail"): PAE ist Plficht, Intels Banias sind nur mit fake-PAE lauffähig.
- Lubuntu 13.10 ("Saucy Salamander"): PAE ist Plficht, Intels Banias sind nur mit fake-PAE lauffähig.
- Lubuntu 14.04 ("Trusty Tahr"): PAE ist Plficht, Intels Banias benötigen die Boot-Option "forcepae".
Wer ein Notebook mit einem Intel Pentium M und Celeron M aus der Banias-Generation auf Linux umstellen möchte, sollte eindeutig zu
Lubuntu 14.04 ("Trusty Tahr") greifen. Diese Version ist seit dem 17. April 2014 verfügbar und funktioniert problemlos mit Banias, sofern man den Parameter "forcepae" setzt. Dies funktioniert wie folgt:
- Lubuntu 14.04 wahlweise von CD oder USB-Stick booten.
- Im Bootmenü den Punkt "Installation" aktivieren.
- "F6" drücken, um die erweiterten Optionen auszuwählen.
- Am unteren Rand der Anzeige sieht man jetzt eine Eingabezeile.
- Dem dort enthaltenen Aufruf hängt man "forcepae" an.
- Nun kann man die Installation starten.
Wir haben Lubuntu 14.04 auf einem Notebook des Typs ASUS M2400N (Intel Pentium M 1,5 GHz, 768 MByte RAM) installiert und es läuft flüssig.
ReactOS - Der Windows-Klon
Bis vor ein paar Jahren hatten wir die Hoffnung, dass pünktlich zum Support-Ende von Windows XP ein quelloffener Windows-Nachbau bereitstehen würde. Im Jahr 1996 unter dem Namen "FreeWin95" gestartet, machte das heutige
ReactOS zwischen 2003 und 2006 schnelle Fortschritte. Ende August 2006 wurde die vielversprechende Version 0.3.0 veröffentlicht, doch in den letzten siebeneinhalb Jahren ging es nur noch langsam voran. Die aktuelle Version 0.3.16 stammt vom 6. Februar 2014 und ist noch weit von einer lauffähigen Beta-Version entfernt. Seit Juli 2009 unterstützt ReactOS Festplatten mit SATA-Anschluss (aber kein AHCI) und im Mai 2013 hielt USB 2.0 Einzug. Mit Druckern und Scannern kann das Betriebssystem leider noch gar nichts anfangen und die Multi-Media-Funktionen beschränken sich auf eine simple Audioausgabe.
Aktuell läuft eine
Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo zur Finanzierung einer
ReactOS Community Edition. Bis zum 1. Juni 2014 wollen die Entwickler 50.000 US-Dollar sammeln und versprechen im Gegenzug volle Unterstützung für die drei beliebtesten Geräte und Anwendungen. Die Community Edition soll insbesondere als Grundlage für das kommende ReactOS 0.4 dienen. Bis ReactOS zu einem alltagstauglichen Ersatz für Windows XP wird, dürften aber noch ein paar Jahre vergehen.
Die Installation des aktuellen ReactOS 0.3.16 ist nur etwas für experimentierfreudige Zeitgenossen. Sinnvoller erscheint uns die Live-CD oder das Ausprobieren auf einer virtuellen Maschine. Passende Images gibt es für QEMU, VMware sowie VirtualBox:
Fazit
Es gibt ein Leben nach Windows XP - nicht nur für uns Nutzer, sondern auch für alte Geräte und Programme. Lediglich aus dem Internet sollte man Windows XP in Zukunft heraushalten - außer man will Bösewichte mit einem Honeypot anlocken.
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