Das BVerfG und das Klimaschutzgesetz: Ideologisch oder einfach nur logisch?
Meldung von doelf, Freitag der 30.04.2021, 16:42:14 UhrDer Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hatte gestern entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes (KSG) vom 12. Dezember 2019 mit den Grundrechten unvereinbar sind, da darin hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. Und während die einen nun auf eine Klimarettung durch das Grundgesetz hoffen, wittern die anderen ideologische Verschwörungen und erwarten den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands.
Dauerstreitthema Klimawandel
Nicht erst seit Donald Trump ist der Klimawandel ein Thema, über das sich trefflich streiten lässt. Dabei wussten maßgebliche CO2-Verursacher schon in den 70er-Jahren aus ihren eigenen Studien, dass der globale Temperaturanstieg ein menschgemachtes Problem ist, dessen Auswirkungen neben Millionen Menschenleben auch die wirtschaftliche Existenz vieler Länder gefährdet. Dennoch wurden diese Studien unter den Teppich gekehrt und frech das Gegenteil behauptet. Es war die Phase der Verleugnung, in der einige Personen seit nunmehr 40 Jahren feststecken. Später folgte die moderatere Phase des Aufschiebens: Die globale Erwärmung wurde als nicht unmöglich
weder anerkannt noch abgestritten, zugleich aber immer die das lässt sich nur global lösen
-Argumentation gezogen, welche einzig und alleine Zeit schinden sollte. Aktuell befinden wir uns in der Phase des Handelns: Mit mehr oder minder klaren Regelungen und Vorgaben will die Politik zeigen, dass sie das Heft des Handelns in der Hand hält, wobei wesentliche Passagen in diesem Heft von Lobbygruppen geschrieben wurden und sich das Durchgreifen zumeist auf ein sanftes Tätscheln mit Samthandschuhen beschränkt. Vielen Menschen ist das aktuelle Klimaschutzgesetz zu lasch, sie werten es als Fortsetzung der bisherigen Verzögerungsstrategie und erkennen in ihm kein funktionierendes Werkzeug zum Abbremsen der lebensbedrohlichen Klimaentwicklung. Per Verfassungsbeschwerde wollten sie das KSG kippen und erzielten dabei einen Teilerfolg.
Der Standpunkt des BVerfG
Die Beschwerden natürlicher Personen, ganz gleich ob diese aus Deutschland, Bangladesch oder Nepal stammen, wertete der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts als zulässig. Dagegen fielen die Beschwerden zweier Umweltverbände durch das Raster des Verfassungsprozessrechts. Zunächst stellten die Richter fest, dass eine Verpflichtung zur Reduktion der Treibhausgasemissionen aus dem Grundgesetz folgt. Dort ist in Artikel 20a GG als Klimaschutzziel festgelegt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C und möglichst auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau
zu begrenzen sei. Das aktuell gültige KSG ist zum Erreichen dieses Ziels allerdings ungeeignet, da bis zum Jahr 2030 nur wenig geschehen soll. Der Großteil der Einsparungen wird einfach auf die Jahre 2031 bis 2050 verschoben und schränkt damit den zukünftigen Handlungsspielraum extrem ein. Nach 2030 drohen daher drastischen Einschränkungen
, die praktisch jegliche Freiheit
betreffen und damit auch die von der Verfassung garantierten Rechte der Kläger betreffen. Und so lautet des Urteil der Richter: In seiner aktuellen Form reichen die gesetzlichen Maßgaben im KSG nicht für einen rechtzeitigen Übergang zur Klimaneutralität aus. Der Gesetzgeber ist folglich verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln
.
Unser Standpunkt
Diese Bewertung hat unserer Ansicht nach mit Ideologie rein gar nichts zu tun, sie ist einfach nur nüchtern und logisch. Wer darauf hofft, dass in zehn Jahren irgendjemand irgendeine geniale Lösung finden wird, vertrödelt nur wertvolle Zeit. Als mit der Planung der ersten Kernkraftwerke begonnen wurde, hatte man auch darauf vertraut, dass irgendwann irgendjemand irgendeine geniale Lösung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle entdecken würde, doch diese Lösung lässt weiterhin auf sich warten. Je schneller und konsequenter der Umbau zur Klimaneutralität angegangen wird, desto wahrscheinlicher wird das Erreichen dieses Ziels vor dem Jahr 2050. Eigentlich hätte die Phase des Handels bereits vor zwanzig oder dreißig Jahren beginnen müssen, doch wer heute noch herum trödelt, handelt grob fahrlässig und völlig unverantwortlich. Oder anders formuliert: Er betreibt eine Politik für Kinderlose und Anleger mit einer ausgeprägten Kurzzeitstrategie.