De-Mail: Die Deutsche Telekom kündigt ihren Kunden
Meldung von doelf, Dienstag der 31.08.2021, 14:40:03 UhrAm 28. April 2011 schickte sich Deutschland an, diesem unbekannten Neuland namens Internet seine Gesetzlosigkeit auszutreiben und verordnete zur rechtssicheren Kommunikation die De-Mail und zwar per Gesetz. Doch die verschlüsselte und rechtssichere Mail-Kommunikation made in Germany konnte sich nicht am Markt durchsetzen. Der größte Projektpartner, die Deutsche Telekom, steigt nach zehn Jahren aus.
Hintergründe zu De-Mail
Alle De-Mail-Anbieter werden vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) geprüft und akkreditiert. Die zertifizierten Anbieter sind ihrerseits verpflichtet, ausschließlich natürliche und juristische Personen, deren Identität vorab verifiziert wurde, als Nutzer zu akzeptieren. Teile des Dienstes sind für Privatkunden kostenlos, gewerbliche Nutzer und Behörden können De-Mail nur kostenpflichtig nutzen. Wer seinen Vertrag mit der Telekom gemacht hat, muss sich allerdings bis zum 31. August 2022 eine Alternative suchen, denn aktuell werden die Verträge der Geschäfts- und Behördenkunden zu diesem Termin gekündigt. Ob ein automatisierter Umzug auf die verbliebenen De-Mail-Partner United Internet AG (GMX, Web.de) und die Mentana Claimsoft GmbH ermöglicht wird, steht noch in den Sternen. Ohne eine Zusicherung staatlicher Zuzahlungen dürfte das Interesse gering sein. In einem Gespräch mit dem Youtuber Tilo Jung hatte Telekom-Chef Timotheus Höttges die De-Mail im Frühjahr 2021 als toten Gaul
bezeichnet und das Ende des Projekts in Aussicht gestellt. Obwohl man Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe getätigt hatte, habe es nie jemanden gegeben, der dieses Produkt genutzt hat
.
In der Praxis kaum genutzt
De-Mail ist immer ein Nischenprodukt geblieben. Nur wenige Firmen bieten De-Mail-Adressen an, deutlich verbreiteter sind diese bei Behörden und kommunalen Verwaltungen. Über die vergangenen zehn Jahren hat der Autor dieses Beitrags lediglich fünf Anfragen an De-Mail-Adressen verschickt. Vier der Postfächer existierten zum Zeitpunkt des E-Mail-Versands nicht mehr, obwohl sie auf den Webseiten von Behörden und Gemeinden verlinkt waren (und zum Teil noch sind). Das fünfte Postfach war existent aber voll. Auf der eigenen Infoseite nennt die AG De-Mail mehr als eine Millionen De-Mail Teilnehmerinnen und Teilnehmer
, doch mir stellt sich die Frage, wie viele davon noch aktiv sind. Tatsächlich hat De-Mail weniger Probleme gelöst als Fragen aufgeworfen, beispielsweise in der Unterscheidung zwischen absenderauthentifizierten und normalen De-Mails. Erstere erfüllen die engen Vorgaben eines für Gerichtssachen geforderten sicheren Übermittlungswegs, die zweitgenannten aber nicht - und für die Unterscheidung muss man sehr genau hinsehen.
CCC betrachtete De-Mail schon vor dem Start als Witz
Der Chaos Computer Club (CCC) hatte die De-Mail von Anfang an kritisiert, insbesondere weil diese ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gestartet war. Diese wurde erst im April 2015 nachgereicht. Insgesamt bescheinigte der CCC der De-Mail ein völlig lächerliches Sicherheitsniveau und riet schon 2013, das gescheiterte Projekt De-Mail ersatzlos zu streichen
. Auch weil mit De-Mail das Postgeheimnis ausgehöhlt wird, denn die Identitätsinformationen und Zugangsdaten der De-Mail-Benutzer werden auf Anforderung an Polizei, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst herausgegeben - und zwar ohne eine richterliche Anordnung - siehe Telekommunikationsgesetz (TKG)Paragraph 112 und 113.
Fazit
De-Mail war schon im Konzeptstadium eine typische IT-Totgeburt, gezeugt von deutschen Politikern und ausgetragen von der deutschen Telekommunikationsbranche. Man kann nur hoffen, dass dieses Millionengrab für deutsche Steuer- und Firmengelder jetzt endlich zugeschaufelt wird, statt dem bereits verlorenen Geld noch weiteres hinterherzuwerfen. Aber so wie ich unser Land kenne, wird genau dies geschehen. Und wenn man nur so tut, als würde mit weiteren Investitionen in De-Mail die Digitalisierung weiter voranschreiten.