Google Drive hält Zahlen für Urheberrechtsverletzungen
Meldung von doelf, Mittwoch der 26.01.2022, 09:20:29 UhrWas haben 1, 120, 173, 174, 186, 266, 285, 289, 302, 336, 451, 448, 500, 556, 643 und 833 gemeinsam? Es sind Zahlen? Zahlen unter 1.000? Zahlen unter 834? Nein, das war womöglich früher einmal so. In Zeiten, wo große Internetkonzerne lieber auf künstliche Intelligenz als auf bezahlte Mitarbeiter vertrauen, sind das Urheberrechtsverletzungen. Das behauptet zumindest Google Drive und mahnt die vermeintlichen Missetäter automatisiert ab.
Das tolle am Modethema Äjeh Ei (also AI) ist, dass man menschliche Fehler ebenso ausschließt wie den gesunden Menschenverstand. Jedem Laien wäre sofort klar, dass man Zahlen wie 1, 120, 173, 174, 186, 266, 285, 289, 302, 336, 451, 448, 500, 556, 643 und 833 nicht urheberrechtlich schützen kann und dafür muss man nicht einmal etwas von einer Schöpfungshöhe wissen. Es sind nun einmal nur simple Zahlen. Bei einer AI, die über Mustererkennung oder (offensichtlich) ungeprüfte Eingaben gefüttert wird, sieht das anders aus. Denn aller angeblichen Intelligenz zum Trotz ist die AI nicht intelligent, sondern kann nur gut Muster erkennen und Filter anwenden. Wie gut so etwas funktioniert, bestimmt einerseits die Qualität der zum Füttern verwendeten Daten und andererseits die verwendeten Algorithmen. Eine Plausibilitätskontrolle erfolgt meist nicht und so kommt es immer wieder zu haarsträubenden Fehlern wie nun bei Google Drive.
Gemeldet wurde der Fehler zunächst auf Twitter von Dr. Emily Dolson, die an der Michigan State University als Assistenzprofessorin arbeitet. Sie hatte eine Textdatei, die einzig und alleine die Zahl 1
enthielt, auf ihr Google Drive hochgeladen und wurde daraufhin über einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von Google Drive informiert. Darin heißt es:
Your file violates Google Drive's Terms of Service
Your fileoutput04.txtcontains content that violates Google Drive's Copyright Infringement policy and hence, some features to this file may have been restricted.
Thats for helping Google keep the web safe.
A review cannot be requested for this restriction.
Da der einzige Inhalte der Datei die Zahl 1
ist, muss es sich bei dieser Zahl um die angemahnte Urheberrechtsverletzung handeln. Insbesondere der letzte Satz sollte uns jedoch zu denken geben: Einmal mehr vertraut Google voll und ganz auf seine Automatismen und schließt jede Prüfung der Sperrung kategorisch aus. Eine Kontaktaufnahme mit dem Kundendienst ist nicht erwünscht, sofern man überhaupt eine Kontaktmöglichkeit findet. Dabei wäre eine Klärung relevant, schließlich droht Google bei wiederholtem Verstoß gegen seine Nutzungsbedingungen mit einer Kontenlöschung. Und diese Drohung ist keinesfalls eine leere, da der Autor dieser Nachricht inzwischen sein drittes Google-Konto verwendet - und das natürlich nicht mehr unter dem eigenen Namen. Und nein, keine der beiden Löschungen war in irgendeiner Weise gerechtfertigt und Googles Kundendienst war in beiden Fällen alles andere als hilfreich.
Laut heise online hat Chris Jefferson, ein Mathematiker und AI-Experte an der schottischen Universität St. Andrews, eine Testreihe mit Zahlen unter 1.000 gestartet und wurde prompt für die Dateien mit den Zahlen 120, 173, 174, 186, 266, 285, 289, 302, 336, 451, 448, 500, 556, 643 und 833 abgemahnt. Letztendlich hat er den Versuch aus Angst, sein Google-Konto zu verlieren, abgebrochen.
Tja, liebe Leser, so sehen Upload-Filter in den Zeiten von Äjeh Ei aus. Freuen wir uns schon einmal auf die automatisierten Meldungen bei den Strafverfolgungsbehörden, sei es wegen der Ähnlichkeit einer 1
mit einem Liedtitel von Metallica oder der Fehlinterpretattion der 833
als Kinderpornografie. Wir haben vor 30 Minuten eine eigene Versuchsreihe mit rein numerischen Textdateien gestartet und bisher keine Meldung seitens Google erhalten. Nun haben wir diese Dateien für weitere Nutzer freigegeben und werden im Forum über die weiteren Entwicklungen berichten.